IT-Rundumschlag 6/21

Massenklage gegen Facebook

Auch wenn es besser wäre, Facebook zu kündigen und zu deinstallieren, können EU-Bürger jetzt zumindest bei einer Massenklage gegen Facebook mitmachen, wenn sie vom Datenleck von über 533 Millionen Facebook-Datensätzen betroffen sind. Facebook ist aufgrund der DSGVO verpflichtet, Betroffene zu informieren, schert sich aber nicht darum. Im deutschsprachigen Raum sind etwa 9 Mio. Nutzer betroffen. Es geht um persönliche Daten wie Name, E-Mail-Adresse, Telefonnummer, Geschlecht, Beruf, Wohnort und Beziehungsstatus.

Widerstand gegen Google

Google wollte mit FLoC („Federated Learning of Cohorts“) eigentlich ein neues Tracking-Modell einführen, trifft aber auf breiten Widerstand aus der Tech-Branche. Große Browser- und Software-Entwickler wie Mozilla, Microsoft, Apple und WordPress versagen dieser Technik die Unterstützung. Bei Microsoft steht der Wille jedoch vorerst noch auf der Probe, weil sein Browser „Edge“ die Chromium-Engine von Google benutzt.

WordPress, das meistgenutzte Website-Management-System der Welt, sieht in der Kohortenbildung gar soziale Abtrennung und Diskriminierung. Es positioniert sich entsprechend kämpferisch: „Mit WordPress laufen etwa 41 Prozent des Webs – und diese Gemeinschaft kann helfen, Rassismus, Sexismus, Anti-LGBTQ+ Diskriminierung und Diskriminierung von Menschen mit psychischen Problemen … zu bekämpfen.“

Facebook für Aussteiger

Facebook ist kein Schicksal. Es stellt nun eine Export-Option – das Data Portability Tool – bereit, um Beiträge in WordPress oder Microsoft Docs weiter nutzen zu können. Dazu war Facebook von Wettbewerbsbehörden verpflichtet worden. Es macht Kündigungen möglich, ohne die eigenen Daten zu verlieren.

Datenschützer hacken Spion

Die Entwickler des Messengers „Signal“ haben die israelische Spionage-Software „Cellebrite“ gehackt. Cellebrite sammelt Daten auf Mobilgeräten und verarbeitet dabei auch Dateitypen, die von Signal benutzt werden. Ein unberechtigter Dritter muss dafür Zugriff auf das entsperrte Mobilgerät haben, z.B. wenn der eigentliche Nutzer inhaftiert ist oder ihm das Gerät geklaut wurde. Cellebrite macht Screenshots von den lesbaren Daten und wertet sie automatisiert aus.

Das Cellebrite-Programmpaket enthält veraltete Videocodec-Bibliotheken und ein Windows-Tool mit Sicherheitslücken. In ihm fehlen branchenübliche Anti-Exploit-Mechanismen. Durch die offenen Hintertüren kann beliebiger Code geschleust und ausgeführt werden. Außerdem können vorhandene und künftige Berichte verfälscht werden.

Schließlich kündigt Signal-Gründer Moxie Marlinspike an, dass künftige Messenger-Versionen gelegentlich Daten in den App-Speicher nachladen würden, die nichts mit Signal, aber viel mit Optik und Ästhetik zu tun hätten. – Dabei könnte es sich um Exploits für Cellebrite handeln, die so weltweit gestreut würden. Ob sie dann auf einem unberechtigt entwendeten Mobilgerät bereitstünden, um eine feindliche Datenextraktion zu verhindern oder zu verfälschen?

Folge dem weißen Hasen!

Die Uni Innsbruck hat sich nun auch der größer werdenden Gemeinde von Universitäten angeschlossen, die den dezentralen Chat „Matrix“ benutzen.

Der Chat-Server Matrix mit dem Chat-Client Element bietet offene, verteilte und sichere Strukturen und Protokolle. Wer Matrix betreibt, kann miteinander chatten. Wenn externe Gesprächspartner mitreden möchten, muss der Zugang über öffentliche Matrix-Server erfolgen. Die Stärke liegt in der digitalen Souveränität. Optik und Bedienbarkeit haben noch Mängel. Aber mit der steigenden Verbreitung haben die Matrix-Entwickler hier seit dem letzten Jahr bereits deutliche Fortschritte gemacht.

Die TU Dresden pflegt eine Liste von Universitäten mit öffentlichen Matrix-Servern.

Totalitäre Smart City

Fefe zitiert aus der „Smart City Charta“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) eine Passage über die Post-voting society: „Da wir genau wissen, was Leute tun und möchten, gibt es weniger Bedarf an Wahlen, Mehrheitsfindungen oder Abstimmungen. Verhaltensbezogene Daten können Demokratie als das gesellschaftliche Feedbacksystem ersetzen.“ (Quelle: Seite 43) Das BBSR ist dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) unterstellt. Ja, echt jetzt, kein Scherz, kein falscher Film, es geht um Deutschland!

Und das ist leider nur eine von vielen Schreckgeschichten, die dort zu lesen sind. Es geht um das „Internet of NO things“ in einer Smart City. Das Internet, also die Vernetzung, ist dort so unsichtbar, allgegenwärtig und selbstverständlich, dass Dinge nicht mehr unabhängige Einzeldinge und also auch keine eigentlichen „Dinge“ mehr sind. Darum „NO Things“. Aber warum nennen sie es nicht gleich „Internet of Everything“?

In dieser Vision gehören alle Autos Uber, alle Wohnungen AirBnB, zahlen wir mit Daten, erfassen Sensoren nicht nur, was wir kaufen, sondern auch, warum wir etwas kaufen, wählen und diskutieren wir nicht mehr, weil Verhaltensprognose-Algorithmen es für uns tun.

Tja, Smart City, dumb citizen. Wir sind dann nur noch geduldete Arbeitsdrohnen, Konsumenten, Übernachtungsnomaden und menschliche Haustiere des Systems … wobei: Muss es heißen nur noch – oder nur noch mehr?